von Klick auf Deutsch


Klaus Hurrelmann, Professor für Sozialwissenschaften an der Universität Bielefeld, ist einer der bekanntesten Jugendforscher in Deutschland. Er leitet das wissenschaftliche Team der Shell-Jugendstudie, die alle vier Jahre die Lebenssituation der 12- bis 25-Jährigen in Deutschland untersucht.

Herr Hurrelmann, wären Sie heute gerne noch einmal jung?

Das würde ich mir gut überlegen.

Warum?

Wer jung ist, hat die ganze Lebensperspektive noch vor sich. Das ist reizvoll. Aber Jungsein heißt auch, eine große Verantwortung für sich selbst zu haben. Wir leben in einer Gesellschaft mit vielen Angeboten. Die Wahlmöglichkeiten sind schön, wenn man sie nutzen kann. Für diejenigen, die daran scheitern, ist Jungsein sehr, sehr anstrengend und belastend.

69 Prozent der deutschen Jugendlichen haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren beziehungsweise keine passende Beschäftigung zu finden, berichtet die neue Shell Jugendstudie. Die Jugend ist viel pessimistischer als noch vor vier Jahren bei Ihrer letzten Studie.

Das liegt daran, dass sich der Lehrstellen- und Arbeitsmarkt weiter verschlechtert hat. Für die Ängste gibt es also ökonomische Gründe. Viele ahnen, dass sie unter schwierigen Bedingungen ihren Weg finden müssen. Dabei ist Bildung ein Schlüsselfaktor. 57 Prozent der Gymnasiasten, aber nur 38 Prozent der Hauptschüler blicken eher optimistisch in die Zukunft.

Welche Konsequenzen ziehen die Jugendlichen aus der wachsenden Zukunfts-Unsicherheit?

Gebildete Jugendliche nehmen meist eine pragmatische Haltung ein. Leistung, Sicherheit und Macht sind ihnen wichtig. Fleiß und Ehrgeiz gewinnen an Bedeutung. Die Jugendlichen wollen nicht die Gesellschaft verändern, sondern konkrete Probleme in Angriff nehmen, die mit persönlichen Chancen verbunden sind. Leider gibt es auch eine Gruppe, die sich aufgibt und nicht mehr in die Zukunft investiert. Es sind überwiegend junge Männer ohne Schulabschluss, die das Gefühl haben, keinen Platz in der Gesellschaft zu bekommen.

In der Shell Jugendstudie bezeichnen Sie die Jugend heute als „pragmatische Generation unter Druck“. Wie gehen Jugendliche mit dem Druch um?

Ungefähr 10 bis 15 Prozent der Jugendlichen sind schwer belastet. Manchmal sucht sich der Druck ein Ventil. Wer es nicht schafft, die Herausforderungen zu bewältigen, wird unter Umständen psychisch krank, greift zu Drogen oder wird gewalttätig. Aber die meisten Jugendlichen können sich vor Drogen schützen.

Politiker aller Parteien haben angesichts der drohenden Überalterung der Bevölkerung die Familie als großes Thema entdeckt. Wird diese familienverbundene junge Generation wieder mehr Kinder in die Welt setzen?

Genau das Gegenteil ist der Fall! Zwar sind 72 Prozent der Überzeugung, dass man eine Familie braucht, um wirklich glücklich zu leben. Doch wirtschaftliche Zwänge und Zukunftsangst halten viele von der Gründung einer eigenen Familie ab. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Mädchen die Jungen überholt haben. Die meisten jungen Frauen wünschen sich zwar Kinder, doch ihnen ist bewusst, dass Familie und beruflicher Erfolg schwer zu vereinbaren sind. Außerdem fehlt meist ein Partner, der zur Arbeitsteilung bereit ist. Um die Jugend auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten, ist deshalb auch eine gezielte Förderung der Jungen notwendig, die ein flexibleres Bild des Mannes vermittelt.